Mit der Brundlandt-Kommission war 1987 eine erste Definition von Nachhaltigkeit geboren. Im Grunde geht es darum, dass zukünftige Generationen ihre Bedürfnisse sollen decken dürfen und zwar genauso wie die jetzt lebende Generation. Und dies heißt ja schlussendlich nichts anderes, als dass wir unsere Erde nicht ausbeuten dürfen zu Lasten zukünftiger Generationen.
Wie es bei Kommissionen oft beobachtet wird, ist deren Abschlusserklärung ein Kompromiss aller an der Kommission beteiligten Experten. Wenig verwunderlich bleibt ein solcher Abschlusssatz dann wenig greifbar. In den folgenden Jahren wurde der Begriff Nachhaltigkeit weiter ausdifferenziert und im Jahr 2004 gab es eine weitere Zusammenkunft von Experten auf Ebene der UNO. Neben vielen anderen Beschlüssen, die als Global Compact Initiative bekannt geworden sind, tauchten dort erstmalig die drei Buchstaben ESG auf.
Die ersten Finanzdienstleister bekannten sich öffentlich dazu, in ihren Anlageentscheidungen Umweltaspekte (Environmental), soziale Faktoren (Social) und ethische Unternehmensgrundsätze (Governance) zu berücksichtigen – ESG war geboren!
Was aber verbirgt sich dahinter?
Zuallererst: Es gibt es noch keine allgemein anerkannte Definition, die zu einer trennscharfen Abgrenzung führt. Oder anders ausgedrückt: Jeder, ob Fondsmanager, FinanzberaterIn oder Kunde, versteht darunter in Grundzügen das Gleiche, aber dann doch auch etwas Anderes.
Umwelt (E – Environmental): Hierunter ist alles zusammengefasst, was mit dem Klimawandel und den natürlichen Ressourcen der Erde zu tun hat. Es geht also um fossile Energieträger, erneuerbare Energien und Folgen des Klimawandels, Wasser, Luftverschmutzung, Abfallentsorgung und letztlich alles, was wir intuitiv auch mit ‘grüner’ Technologie gleichsetzen.
Bei Investment-Lösungen finden Sie hier Themenfonds wie Clean Energy oder Clean Technologie, aber auch Solar-, Wind- und Wasserfonds. Das dürften viele AnlegerInnen inzwischen wahrgenommen haben und auch als Antwort parat haben, wenn sie nach ‘nachhaltiger Geldanlage’ gefragt würden.
Soziales (S – Social): Alles, was mit Personalführung und den Kunden zu tun hat, zählt hierunter. Es geht also um die gewaltigen Themen wie der Sicherheit und den Umgang mit den personenbezogenen Daten, die von den Kunden eingesammelt werden. Wie oft haben wir schon erleben müssen, dass unsere Daten geklaut wurden und wir dann aufgefordert wurden, unsere Passwörter zu ändern?
Hatten Sie im April 2021 auch eine SMS von DHL, dass ein Paket auf dem Weg zu Ihnen sei? Und weil Sie das vielleicht nicht sofort zuordnen konnten, haben Sie auf den Link geklickt, der der SMS beilag? Der Link führte augenscheinlich ins Leere – tatsächlich hatten Sie sich aber einen Trojaner auf Ihr Handy geladen, der nun Ihr Passwort beim Online-Banking ausspionierte. Wie konnte das passieren? Hacker hatten Ihre personenbezogenen Daten geklaut… vielleicht bei einer der Plattformen, auf der Sie sich mit ihrer Handynummer angemeldet hatten. Nur sehr mühsam konnte der Trojaner von Ihrem Handy wieder entfernt werden!
Was bedeutet dies aber für ein Unternehmen und für Fondsmanager? – Im Jahr 2017 musste ein Unternehmen bekannt geben, dass ein Hacker-Angriff zu einem Verlust von personenbezogenen Daten führte. Der Aktienkurs knickte mit rund 30% deutlich ein und erholte sich in den nachfolgenden Monaten nur langsam.
‘Na und?’ werden Sie vermutlich nun fragen?
Ein Fondsmanager sucht nach Unternehmen, deren Aktienkurse aus seiner Sicht Potenzial haben, kontinuierlich, aber natürlich unter Schwankungen, zu steigen. Kommt es zu einem allgemeinen Markt-Crash, dann darf der Aktienkurs natürlich fallen. Aber die unternehmensspezifischen Risiken will der Fondsmanager vorher wissen! Denn er verwaltet aktiv seinen Fonds und hängt sich nicht 1:1 wie ein ETF an einen Aktienindex.
Hat er also nicht tief genug beim Thema Cybersicherheit in das Unternehmen hineingeschaut, dann setzt er seinem Fonds das Risiko aus, dass die Performance des Fonds hinter seinem Vergleichsindex zurückbleibt. Und da Anleger hauptsächlich auf die Fondsrendite schauen, kann dies zu einem erhöhten Erklärungsbedarf führen oder dazu, dass Anleger den Fonds zukünftig meiden werden.
Unter dem sozialen Aspekt wird aber noch mehr zusammengefasst – siehe obiges Schaubild. Darüber wird es aber mal einen weiteren Blog-Beitrag geben.
Unternehmensführung (G – Governance): Gern wird hier auf ethische und moralische Unternehmensgrundsätze abgestellt. Darunter lässt sich dann wiederum sehr viel verstehen, von dem Umgang mit den Aktionären über die Höhe der Managergehälter bis hin zum Aspekt der Diversität, also der Vielfalt, im Unternehmen.
Insbesondere die Diversität wird von ESG-Ratingagenturen gern durchleuchtet, denn dort kann auf Unternehmensebene relativ leicht mit Kennzahlen gearbeitet werden. Ein Beispiel: Eine ESG-Ratingagentur schaut sich den Vorstand eines global agierenden Unternehmens an und stellt fest – vielleicht bei einem us-amerikanischen Unternehmen: Dort sitzen nur ältere weiße Männer mit einem Abschluss von Harvard, Yale und dem MIT. Die Umsätze des Unternehmens werden allerdings auch in Australien, Südost-Asien und Europa gemacht. Außerdem wird etwa die Hälfte des Umsatzes mit Produkten für Frauen gemacht. Eine ESG-Ratingagentur vergibt nun also unter dem Aspekt “Vielfalt / Diversität” nicht die volle Punktzahl, denn: Wo ist der Manager – besser noch: die Managerin – im Vorstand, die sich aus einer europäischen, südost-asiatischen oder australischen Tochterfirma bis in den Vorstand hochgearbeitet hat?
Keine allgemein anerkannte Einordnung
Und hier erkennen Sie auch schon mein Eingangsstatement wieder: Während das Thema ‘Frauenquote’ von mir bei Soziales gesehen wird, ordne ich die regionalen Umsatz-Repräsentanten bei Governance ein. Eine ESG-Ratingagentur kann das aber anders sehen und ein Fondsmanager wiederum anders. Es gibt einfach noch keine verbindlichen Vorgaben, wo welcher Aspekt einzuordnen ist. Es ist also wenig verwunderlich, wenn sich mehrere ESG-Ratingagenturen dasselbe Unternehmen anschauen und jede Agentur zu einem anderen Ergebnis kommt.
Für den Fondsmanager ist es also eine Herausforderung, aus den vielen ESG-Ratingagenturen diejenige herauszusuchen, die seiner Philosophie von Nachhaltigkeit für seinen Nachhaltigkeitsfonds am ehesten entspricht.
Und für uns FinanzberaterInnen bedeutet es, dass es wenig verwunderlich ist, dass sich die Performance des einen Nachhaltigkeitsfonds, bspw. eines europaweit anlegenden Nachhaltigkeitsfonds, von der eines anderen Nachhaltigkeitsfonds unterscheidet – allein schon, weil sich beide Fondsmanager auf jeweils andere ESG-Ratingagenturen verlassen. Auch das beleuchten wir mal in einem anderen Blog-Beitrag.
Fazit
ESG steht für Umwelt, Soziales und Unternehmensgrundsätze und kommt aus der UN Global Compact Initiative im Jahr 2004.
In jedem Fonds steckt eine andere Definition von ESG, was dazu führt, dass auch wenn Nachhaltigkeitsfonds das gleiche Anlageuniversum haben, deren Performance voneinander abweicht.