Nachhaltigkeit und individuelles Verhalten
- 7. August 2023
- Dr. Stephan Müller
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Würden wir Menschen fragen, ob sie in einer sauberen und intakten Umwelt leben wollen, würden wohl 95% + X dies mit einem ‘JA!’ beantworten.
Gleichwohl beobachten wir, dass trotzdem noch sehr viele Menschen sich anders verhalten. Feldforscher haben herausgefunden, dass es nicht an Ignoranz, Böswilligkeit, Sozialisationsdefiziten oder falschen Wertvorstellungen liegt, dass wir viel zu wenig tun. Ökonomen haben unlängst herausgefunden, dass es das ‘Gefangenen-Dilemma’ ist, in dem sich jeder Einzelne befindet.
Und das geht so: Für alle ist es schlauer, die Umwelt nicht zu schädigen. Es müssen also alle Menschen auf der Welt Maßnahmen zur Abmilderung des Klimawandels ergreifen, damit es allen Menschen gut geht. Der Einzelne allerdings denkt, dass wenn alle anderen etwas tun, ich aber nicht, dann profitiere ich trotzdem von der sauberen Umwelt. Ich wäre also schlau, nichts zu tun!
Und wenn ich etwas zur Abmilderung des Klimawandels beitrage, dann trage ich die Last, die damit verbunden ist. Ich muss allerdings damit rechnen, dass die anderen nichts tun werden und davon profitieren wollen, dass aus deren Sicht alle anderen etwas tun. Ich trage also die Einschränkungen und Belastungen beispielsweise durch eine CO2-Steuer, profitiere aber nicht von einer sauberen Umwelt, weil die anderen nichts zur Abmilderung des Klimawandels beitragen. Dann kann ich es auch sein lassen, etwas zu tun.
In beiden Szenarien lautet meine rationale Entscheidung also, nichts zu tun!
Im Gefangenen-Dilemma besteht ein harter Zielkonflikt zwischen individueller Rationalität (*ich* mache nichts) und kollektiver Rationalität (*alle* tun etwas) und diejenigen, die sich – aus welchen lobenswerten Gründen auch immer – an der kollektiven Rationalität orientieren, werden bestraft und frustriert.
Verbietet ein Land beispielsweise, im Atlantik industriell Fische zu fangen, erleiden die Fischer, die zu nachhaltigem Fischfang übergehen, empfindliche Gewinneinbußen, verhindern aber die Überfischung der Meere nicht, weil die Fischer des Nachbarlandes die restlichen Fische nun einholen. Bevor also das Nachbarland sowieso die Fische einholt, erlaube ich als Land es meinen Fischern weiterhin. Das ist rational aus der Sicht des einzelnen Landes, aber hilft nicht dabei, die Umweltzerstörung einzudämmen.
Wenn ich mir anschaue, welche Länder eine CO2-Steuer bzw. einen Emissionszertifikatehandel eingeführt haben, dann wird sehr schnell offensichtlich, welche Länder Lasten tragen und wer darauf setzt, dass die anderen schon etwas tun werden.
Die Lösung aus dem Gefangen-Dilemma ist so einfach wie unmöglich… Derjenige, der sich weiter umweltschädigend verhält, wird von einer übergeordneten Instanz, beispielsweise dem Staat, bestraft!
Das geht natürlich innerhalb eines Landes, aber das geht nicht auf der globalen Ebene. Welche übergeordnete Welt-Instanz kann schon die USA, China oder Russland bestrafen, dass sie die vereinbarten Klimaziele verfehlen?