Zinsen in der EU: Die Zinsstrukturkurve ist invers!
- 6. Oktober 2023
- Dr. Stephan Müller
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Im derzeit laufenden Kurs für FinanzberaterInnen höhervermögender Kunden kommen wir auch zum Thema Anleihen und nachdem wir kurz die verschiedenen Theorien zur Erklärung der Zinsstrukturkurve durchgenommen haben, schauen wir uns an, wie die Zinsstrukturkurven in der EU aussehen.
Im Schaubild gut zu erkennen ist der hohe Leitzins, der vom Markt mit zunehmender (Rest)Laufzeit der Anleihen schnell nach unten gedrückt wird. Die Finanzmarktakteure erwarten also alsbald fallende Leitzinsen – ganz im Sinne der Erwartungstheorie.
Die Finanzmarktakteure erwarten darüber hinaus aber auch eine lange Zeit relativ niedriger Zinsen – klar: Keine Nullzinsen mehr, wie wir sie viele Jahre gesehen hatten.
Diese stark abfallenden Zinsen lassen zwei Dinge erwarten:
(1) Die Inflation wird erfolgreich bekämpft werden, sodass die Zinsen aus Inflationsgründen nicht länger so hoch bleiben müssen – sie können sinken. Übrigens: Noch immer haben Zentralbanken in den großen Volkswirtschaften die Inflation erfolgreich bekämpft!
(2) Die EU wird vermutlich in eine Rezession fallen, sodass die EZB die Zinsen senken muss, um die allgemeine Wirtschaftspolitik bei der Bekämpfung der Rezession zu unterstützen. Dies darf die EZB aber nur tun, wenn ihr Inflationsziel von unter, aber nahe bei 2% erreicht ist. Das ist keineswegs sicher, denn vermutlich wird es zukünftig in der EU eine strukturell um etwa 0,5%-Punkte höhere Inflation geben.
Was kann ich als FinanzberaterIn mit diesen Informationen anfangen?
Wenn Sie Kunden haben, die jetzt (Oktober 2023) in Anleihen einsteigen wollen, aber nicht genau wissen, ob es schon an der Zeit für den Kauf von Anleihen wäre und auf vielleicht weiter steigende Zinsen spekulieren, sollten zum Gespräch eingeladen werden. Der Markt erwartet sinkende Zinsen und Kunden, die weiter steigende Zinsen annehmen, stellen sich gegen den Markt! Keine gute Idee!
Kunden, die in europäisch anlegenden Rentenfonds investiert sind, können erwarten, dass mit sinkenden Zinsen in der EU die Anleihekurse steigen. Rentenfonds, die ja täglich ‘ihre’ Anleihen bewerten, profitieren von diesen steigenden Anleihekursen.