Die Ökonomie des Klimawandels
- 1. Juli 2023
- Dr. Stephan Müller
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Inzwischen steht außer Frage, dass es den Klimawandel gibt und dass sich jeder Einzelne, ob Unternehmen, die Politik, ganze Länder oder die Bevölkerung, positionieren muss – mindestens an den beiden Endpunkten aktives Engagement oder Passivität. So mancher Anleger überlegt aber womöglich, sein Umwelt-Engagement daran auszurichten, was er überhaupt bewirken kann und dies wiederum hängt von dem Wissen darüber ab, wie sich der Klimawandel wirtschaftlich ausprägt.
Einleitung
Vor dem 19. Jahrhundert war ökonomisches Wachstum praktisch nicht existent. Dann aber begann der noch immer anhaltende Wirtschaftsaufschwung: Zwischen 1870 und 2016 verdoppelte sich beispielsweise der Lebensstandard in den USA alle 40 Jahre und getragen wurde dies von Innovationen, die menschliche und tierische Kraft durch Maschinen ersetzte. Fossile Energieträger haben dabei zu großen Entwicklungssprüngen geführt, sei es die Eisenbahn, Kraftwerke oder Verbrennungsmotoren. Dies wiederum führte zu CO2- und andere Treibhausgas-Emissionen. Nun wissen wir inzwischen aber auch, dass fossile Energieträger nicht nur auf die ökonomische Entwicklung einen entscheidenden Einfluss haben, sondern auch negativ auf die Umwelt.
Negative externe Effekte
Treibhausgase stellen negative externe Effekte dar, was bedeutet, dass Marktakteure nicht für die mit den Treibhausgasemissionen verbundenen derzeitigen und zukünftigen Kosten aufkommen. Erst die Politik integriert jene Kosten in Form von Verboten, Auflagen und Steuern in das Wirtschaftskalkül eines Unternehmens. Beispiele dafür sind das Verbot, ungeklärte Abwässer in den örtlichen Fluss einzuleiten oder das Gebot, Rußpartikelfilter in Autos einzubauen.
Ergänzend dazu ist die Umwelt ein globales öffentliches Gut, was bedeutet, dass alle Länder von einer sauberen Umwelt profitieren, auch wenn sie nichts dazu beitragen, sie sauber zu halten. Es kommt zu einem Trittbrettfahrer-Verhalten: Länder haben einen Anreiz, von den Reduzierungsbemühungen anderer Länder zu profitieren ohne selbst Kosten in Form von Ver- und Geboten sowie Steuern aufzuwenden.
Und daraus erwachsen global verschiedene Anreizstrukturen für die Politik eines Landes:
- Schwellen- und Entwicklungsländern: Sie bewerten den Preis für die Umweltverschmutzung womöglich als tragbar, gemessen an ökonomischem Wachstum. Oder etwas einfacher ausgedrückt: Allgemein steigender Wohlstand, sinkende Kindersterblichkeit, höheres Sterbealter und steigender Gesundheitszustand in der Bevölkerung wird höher bewertet als eine saubere Umwelt. Statt in die Abmilderung der Umweltzerstörung zu investieren, wird in Wirtschaftswachstum investiert.
- Regionen: Wird auf verschiedene Regionen geschaut, dann unterscheiden sich die Anreize eines Landes danach, wie viele Küstenregionen, Trockengebiete oder gemäßigte Klimazonen sie haben. Denn jeweils wirkt der Klimawandel dort anders.
- Finanzielle Leistungsfähigkeit: Und schlussendlich unterscheiden sich Länder in ihrer finanziellen und steuerlichen Leistungsfähigkeit, dem Klimawandel überhaupt entgegentreten zu können.
CO2-Konzentration und Erderwärmung
Der Erde wird Wärme über die Sonnenstrahlen zugeführt und sie gibt in Form von Infrarot-Strahlung diese Wärme wieder an den Weltraum ab. Gäbe es keine Treibhausgase in unserer Atmosphäre, hätten wir eine Temperatur von -18 Grad auf der Erde. Bei dieser Temperatur würden sich Sonnenstrahlen und Infrarot-Strahlung die Waage halten. Treibhausgase haben nun den Effekt, die Sonnenstrahlung durchzulassen, aber Infrarot-Strahlung zu blockieren. Wenn mehr Treibhausgase in der Atmosphäre sind, stellt sich ein neues Gleichgewicht bei einer höheren Temperatur ein: Je wärmer es ist, desto mehr Infrarot-Strahlung wird an den Weltraum abgegeben – desto mehr Infrarot-Strahlung kommt durch die Treibhausgase durch.
Die Vegetation, Ozeane, Wolken und Eisformationen spielen dabei eine Rolle, sind aber nicht alleinstehend und unabhängig voneinander, sondern in Beziehung zueinander: Im Ergebnis ist der Klimawandel also ein sehr komplexes System von nicht-linearen Gleichungen:
- So erhöhen steigende Temperaturen die Feuchtigkeit in der Atmosphäre und die Wassertröpfchen vermindern die Abstrahlung von Infrarot-Strahlung.
- Der schmelzende Permafrostboden setzt Methan und CO2 frei – Infrarot-Abstrahlung wird weiter vermindert.
- Die Kohleverbrennung setzt nicht nur CO2 frei, sondern auch Aerosole, die das Sonnenlicht reflektieren- die durch Sonneneinstrahlung zugeführte Energie wird dadurch also vermindert. Und gerade in diesem Teilgebiet wird in den letzten Jahren aktiv geforscht, ob der Nettoeffekt nicht womöglich positiv ist, also Kohleverbrennung die Erderwärmung abmildert.
Soziale Kosten des Klimawandels
Gemessen wird der Klimawandel an den sozialen Kosten von CO2-Emissionen. Diese sind definiert als USD-Betrag, der der Umweltzerstörung durch eine weitere Tonne CO2 entspricht – oder andersherum: welche Zerstörung tritt nicht ein, wenn eine Tonne CO2 nicht emittiert wird!
Zweck dieser Berechnung ist es, die Kosten des Klimawandels messbar zu machen, um diese Kosten auf die Gesellschaft zu verteilen. Und dies wiederum verfolgt das Ziel, das Wirtschaftskalkül jedes einzelnen Wirtschaftssubjektes, also Unternehmen, Staat, Bürger, so den Marktkräften auszusetzen, dass jeder ganz individuell entscheiden kann, ob er die Kosten tragen will und konsumiert bzw. produziert oder darauf verzichtet. Schon die erste intuitive Überlegung ist dabei richtig: Was teurer ist, wird weniger gekauft!
Und in diese Berechnungsmethode fließen nun mehrere Komponenten ein:
Eine jetzt lebende Generation überlegt sich einerseits, Produkte herzustellen und damit Umweltzerstörung zu akzeptieren. Andererseits überlegt sie aber auch, auf Produkte zu verzichten und die Umweltzerstörung damit abzumildern zugunsten zukünftiger Generationen. Es geht also für die heutige Generation um jetzigen Konsum oder Konsumverzicht bzw. Investitionen in Klimaabmilderung zugunsten zukünftiger Generationen.
Und Investitionen werden nur getätigt, wenn sie sich rentieren: Wieviel muss heute investiert werden, um später ein bestimmtes Ergebnis zu haben. Kapitalmarkttheoretisch ist dies der Abzinsungsfaktor in der Barwertmethode, also ein Zins.
Dabei misst der Abzinsungsfaktor, wie schwer die heutige Generation die Wohlfahrt aller zukünftigen Generationen wiegt. Auf der einen Seite kann ein sehr niedriger Bemessungswert angesetzt werden. Was also kümmert die jetzige Generation die Wohlfahrt der zukünftigen Generationen. Die heute lebende Generation würde also alles konsumieren, was produziert wird, und es würden keine Investitionen zur Erhaltung der Umwelt oder zur Abmilderung der Umweltzerstörung getätigt.
Auf der anderen Seite kann eine Gesellschaft der Zukunft einen hohen Wert beimessen, also unseren Kindern soll eine nicht mehr so zerstörte Welt hinterlassen werden und dafür ist die jetzt lebende Generation bereit, auf Produktion und Konsum zu verzichten und den Maximalbetrag zur Abmilderung der Umweltzerstörung zu investieren.
Leicht vorstellbar, dass es genügend Punkte zwischen diesen beiden Extremeinstellungen gibt – jede Gesellschaft steht an einer anderen Position zwischen vollständigem Konsum und gar keinem Konsum. Grafisch ist das in einem Preis-Mengen-Modell darstellbar:
Grenznutzen: Nutzen eines weiteren Produktionsgutes, dessen Herstellung mit CO2-Emissionen bzw. Umweltzerstörung einhergeht – entsprechend den grundlegenden ökonomischen Zusammenhängen nimmt dieser Nutzen ab, je mehr davon produziert wird (abnehmender Grenznutzen).
Grenzkosten: Die Herstellung eines weiteren Produktionsgutes geht mit CO2-Emissionen einher, die zur Umweltzerstörung beitragen. Allerdings mit zunehmenden Kosten pro Produktionsgut (zunehmende Grenzkosten), weil es für zukünftige Generationen zunehmend teurer sein wird, den Klimawandel dann noch abzumildern.
Lesebeispiel: Bei einem Niveau an CO2-Emissionen von 20 Gigatonnen (rote Linie) führt eine weitere Tonne CO2 zu Nutzen im Gegenwert von 40 USD und korrespondiert mit Kosten von 10 USD. Wenn es also nur 10 USD kostet, 40 USD Nutzen zu erreichen, wird diese Einheit produziert. Erst wenn die Kosten größer werden als der Nutzen, wird die Produktion gestoppt.
Optimalpunkt: Der Optimalpunkt von Produktion und CO2-Emissionen liegt dort, wo sich Nutzen und Kosten treffen – wenn die Kosten für die Herstellung eines weiteren Produktionsgutes den Nutzen übertrifft, wird es nicht produziert.
Ergebnis: Es ist also modelltheoretisch einfach, Kosten pro Gigatonne CO2-Emissionen zu ermitteln, um politisch ein gewünschtes Ergebnis für die Gesellschaft erreichen zu können.
Dabei gilt grundlegend: Die Investitionen in die Abmilderung des Klimawandels, die jede Generation tätigt durch Konsumverzicht, wirkt auf alle zukünftigen Generationen und nicht nur auf die nächste Generation.
Und: Je mehr in die Abmilderung des Klimawandels investiert wird, desto niedriger ist der Anteil der verlorenen Konsumgüter für die zukünftigen Generationen, aber mehr Verzicht für die jetzige Generation.
Damit kann modelltheoretisch ein Optimalpunkt an Investitionen zur Abmilderung des Klimawandels gefunden werden.
Das Modell steht dann allerdings vor Herausforderungen:
- a) Abzinsungsfaktor: Die meisten Schäden werden erst in der Zukunft auftreten, also müssen jene zukünftigen Kosten auf heute abgezinst werden – aber zu welchem Zins?
- b) Technologischer Fortschritt: Wie stark sich die Erde erwärmen wird und welche Schäden damit dann verbunden sind, hängt auch davon ab, wie sehr die Unternehmen ihre Produktionsprozesse umstellen können – weniger Schäden in der Zukunft würden heute niedrigere Soziale Kosten von CO2 bedeuten.
- c) CO2-Konzentration und Erderwärmung: Der Zusammenhang ist unbestreitbar, allerdings nicht exakt messbar – eine Verdopplung der CO2-Konzentration führt in einigen Modellen zu einer Erderwärmung von 1,5 Grad, andere Modelle rechnen mit bis zu 4,5 Grad.
Weiter geht’s in Teil II