Was ist SRI – Socially Responsible Investing?
- 7. Juli 2023
- Dr. Stephan Müller
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In den Medien wird ESG, also Umwelt, Soziales und die Unternehmensführung, in den Vordergrund gestellt, wenn es um nachhaltige Fonds geht. Das ältere Konzept ist allerdings SRI – Socially Responsible Investing. Etwa in den 70er Jahren kamen die ersten Ideen bei institutionellen Anlegern, also Versicherungen, Pensionskassen und Vermögensverwalter, auf, dass neben Umwelt- und sozialen Aspekten auch die Produkte bzw. Dienstleistungen Gegenstand einer Unternehmensanalyse sein müssten.
Der Waffenproduzent
Wenden wir das mal auf einen Waffenproduzenten an. Zuerst: wir sind uns aber einig, dass ein Waffenproduzent wohl für die meisten Anleger:innen kein Kandidat für einen Nachhaltigkeitsfonds ist!
Das Unternehmen behandelt seine Mitarbeiter:innen respektvoll, es gibt einen Betriebsrat, es zahlt einen ordentlichen Lohn und auch der Vorstand ist zwar gut bezahlt, aber nicht exorbitant zu hoch. Er hat überdies darauf geachtet, dass der Rüstungsstahl von Unternehmen geliefert wird, die bereits teilweise ‘grün’ sind und die Waffen werden nicht mehr mit erdölbasierten Schmierstoffen versorgt, sondern mit Bio-Schmierstoffen. Ebenfalls hat das Unternehmen Zulieferer ausgewählt, die nicht unter Korruptionsverdacht stehen und keine Kinder- oder Zwangsarbeit einsetzen. Kurzum: ESG-konform!
Ein Fondsmanager darf diesen Waffenproduzenten also in seinen Fonds aufnehmen!
Ethische Vertretbarkeit und ethische Unternehmensführung
Schauen wir allerdings mit der SRI-Brille auf den Waffenproduzenten, dann sehen wir, dass es zwar größere Übereinstimmungen mit ESG gibt. Die Umweltaspekte und das Soziale sind gleich – aber bei der Ethik (SRI) bzw. ethische Unternehmensführung (ESG) gibt es einen bedeutsamen Unterschied.
Bei ESG wird lediglich danach gefragt, *wie* sich das Unternehmen verhält, also beispielsweise in den Themenfeldern Korruption, Kinder- und Zwangsarbeit sowie Diversität im Vorstand. Verhält sich ein Unternehmen dort ethisch sauber, ist es ESG-konform beim Buchstaben ‘G’! Sie merken schon: Nach den Produkten bzw. Dienstleistungen, die das Unternehmen herstellt, wird in einem ESG-Ansatz nicht gefragt!
Aber genau danach wird in einem SRI-Ansatz gefragt: Inwiefern sind die Produkte bzw. Dienstleistungen ethisch vertretbar? Was ist die Natur oder das Wesen der Produkte/Dienstleistungen? Und genau hier öffnet es sich sehr differenziert.
Und wenn Sie jetzt einwerfen wollen… Hey, das machen doch Fondsmanager in ihrem ESG-Ansatz auch! Ja, da haben Sie absolut recht. Weil es keine gesetzlichen Vorgaben und erst wenige allgemein anerkannte Leitlinien gibt, was ‘Nachhaltigkeit’ ist, definiert es jeder Fondsmanager ganz individualisiert für seinen Nachhaltigkeitsfonds. Und so haben sich die Fondsmanager völlig zurecht am SRI-Ansatz bedient
Ausschlusskriterien
Wir lesen bei vielen Fondsmanagern Ausschlusskriterien wie Alkohol, Glücksspiel, Tabak und Waffen.
Als Finanzberater:innen wäre es aber nun weise, nicht bei diesem ersten Schritt zu bleiben, sondern einen weiteren Schritt in diese Themenfelder hineinzugehen.
Wir sind uns sicher schnell einig, dass Unternehmen, die Alkohol produzieren, wohl ebenfalls keine Kandidaten für einen Nachhaltigkeitsfonds sind. Brauereien werden also – wenig überraschend – oft aus Nachhaltigkeitsfonds ausgeschlossen.
Was aber ist mit börsennotierten Supermarktketten, die Alkohol verkaufen? Wie steht es um IT-Unternehmen, die Brauerei-Software anbieten? Kurzum: Wir schauen hinein in die Wertschöpfungskette rund um eine Brauerei.
Und hier wird es schnell recht dünn in den veröffentlichten Aussagen der Fondsmanager. In den Fondsprospekten herrscht die Tendenz vor, dem Fondsmanager möglichst viele Freiräume zu eröffnen und nur im Grundsatz die Ausschlüsse zu formulieren. In den Fondspräsentationen finden sich dagegen üblicherweise sehr klare Formulierungen und selbstverständlich hat jeder Fondsmanager eine absolut klare Vorstellung davon, welche Unternehmen in seinen Fonds passen und welche nicht.
Beratungsrisiken
Für Sie als Finanzberater:in sind diese Informationen nun sehr wertvoll: Es besteht ja durchaus das Risiko, dass der Kunde in seinen Nachhaltigkeitsfonds hineinschaut und darin die amerikanische Supermarktkette Walmart findet und die haben regalweise Alkohol im Angebot. Aber Alkohol war doch ein Ausschlusskriterium! Also kommt er erneut zu Ihnen in die Beratung und fragt einmal nach, wie denn Walmart in seinen Nachhaltigkeitsfonds passt – Alkohol war doch ausgeschlossen.
Und vermutlich ahnen Sie schon, worauf es hinausläuft… – Umsatzanteile. Ein Fondsmanager setzt Umsatzgrenzen für die auszuschließenden Themen. Walmart darf bei dem einen Fondsmanager aufgenommen werden, weil er eine für seinen Nachhaltigkeitsfonds geltende Umsatzgrenze von 15 % für alkoholische Produkte gesetzt hat – ein anderer Fondsmanager setzt aber womöglich strengere Kriterien an und hat eine Umsatzgrenze von 5 %. Insofern ist in dem einen Nachhaltigkeitsfonds eine Walmart drin, in dem anderen Nachhaltigkeitsfonds allerdings nicht. Diese Information brauchen Sie als Finanzberater:in!
Moderne Ausschlusskriterien
Wenn Sie jetzt auf die modernen Ausschlusskriterien schauen, dann werden Sie dort eine sehr differenzierte Unterscheidung sehen – das Schaubild ist direkt aus der Präsentation eines Nachhaltigkeitsfonds entnommen und darin finden sich Kriterien wie Fracking, Gentechnik im Nahrungsmittelsegment oder Schlüsselkomponenten für Atomkraftwerke. Weil jener Nachhaltigkeitsfonds sehr strenge Kriterien ansetzt, sind die Umsatzgrenzen bei 0 % bzw. 5 %.
Gleichwohl: Als Nicht-Experte fällt es uns als Kunde, aber vermutlich auch als Finanzberater:in recht schwer, einzuschätzen, was eine Schlüsselkomponente zum Betreiben eines Atomkraftwerks ist – vermutlich die Software. Aber was ist mit der Software, die die Firewall des Atomkraftwerksbetreibers steuert und es damit vor Hackerangriffen schützt? Und nur nebenbei sei erwähnt, dass die EU die Stromproduktion aus Atomkraft als ‘grünes’ Investment ansieht und Betreibergesellschaften von Atomkraftwerken sowie deren Zulieferer deshalb sehr gut in einen Nachhaltigkeitsfonds hineinpassen.
Falls ein Kunde uns genau darauf aufmerksam macht, wäre es doch der eigenen Reputation durchaus förderlich, hierauf kompetent Antworten geben zu können, oder?
Fazit
ESG und SRI unterscheiden sich zwar auf der theoretischen Ebene, aber in der Fondspraxis ist der SRI-Ansatz über Ausschlusskriterien in ESG aufgegangen.
Moderne Ausschlusskriterien umfassen weit mehr als Alkohol, Waffen, Glücksspiel, Tabak und Pornografie und insbesondere ist der Blick auf die Wertschöpfungskette sehr ertragreich, um sich keinem Beraterrisiko auszusetzen.
In der täglichen Beraterpraxis gewinnen Sie sehr viel Reputation, wenn Sie differenziert auf einen Nachhaltigkeitsfonds und seine Ausschlusskriterien schauen.